Warum all dieser Hass?

Beitrag auf dem Demokratie-Parcour am 8. Februar 2025 in Wetzlar

Grafik Demokratie-Parcour

„Gemeinsam für eine lebendige Demokratie – Für Menschenrechte und ein tolerantes, buntes, friedliches Miteinander“ hieß das Motto am 8. Februar 2025 in Wetzlar. Hunderte Menschen trafen sich zum Demokratie-Parcour in der Bahnhofstraße, um miteinander zu sprechen, wie wir die demokratischen Grundrechte gegen einen extremen Rechtsruck sichern können. Auch Peter meldete sich zu Wort:

Um ein Problem zu lösen, hilft es, seine Ursachen zu verstehen. Wenn wir uns das Schienbein gebrochen haben, macht es wenig Sinn, Hustenbonbons zu essen und zu hoffen, die Knochen würden dadurch wieder zusammenwachsen.

Warum also all dieser Hass? Was ist seine Ursache?

Wir Menschen funktionieren alle sehr ähnlich. Wir können uns dieser Frage annähern, indem wir mal uns selbst gegenüber ehrlich sind. Wann brodelt es in mir? Wann würde ich mein Gegenüber am Liebsten an die Wand klatschen? Wann spüre ich Hass in mir aufsteigen?

Wann empfinden Sie Hass?

Hass entsteht, wenn grundlegende Bedürfnisse von uns elementar nicht erfüllt sind: Unser Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit, nach Sicherheit, nach Wohlbefinden. Unser Bedürfnis nach Anerkennung, nach Wertschätzung, nach Zuneigung. Unser Bedürfnis, dazuzugehören, nach Teilhabe, nach Sinn. Auch Angst und Wut tauchen auf, wenn eines oder mehrere dieser Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Die Nichterfüllung fundamentaler Bedürfnisse ist die Ursache von Angst und Hass.

Mehr oder weniger sind wir alle von den Symptomen Angst und Hass befallen. Allerdings: wenn ich unter Angst leide, nützt es mir nichts, wenn mein Gegenüber mich dafür beschuldigt. Was mir hilft, ist ein Gegenüber, der meine innersten Gefühle kennenlernen will.

Es ist kontraproduktiv, Menschen, die populistische Positionen äußern, für ihre Ängste fertig zu machen.

Wir können Rassismus nicht durch Moralisieren und pädagogische Mittel bekämpfen, die auf rationalen Argumenten basieren. Unsere Wertung fassen die Menschen als Abwertung auf.

Wenn wir die Gefühle eines Menschen kennenlernen wollen, der uns wichtig ist, seine Angst, seine Not, stellen wir unsere Vorurteile ins Regal und konzentrieren uns darauf, ein wirkliches Verständnis für diesen Menschen zu entwickeln.

Wir glauben, in einer Demokratie zu leben. Formell haben wir unsere individuellen Grundrechte. Bei genauer Betrachtung stellen wir jedoch fest, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Teilnahmslosigkeit verfallen ist. Von wichtigen politischen Entscheidungen sind wir Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen. Auf jeden Fall haben wir ein wirkliches Defizit darin, dass jede und jeder Einzelne einen Beitrag zur Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen leistet. Denn das bedeutet Demokratie auch.

Dadurch haben wir Bürger das Gefühl für unseren Wert verloren. Hinter all den Ressentiments steckt dieses tief verwurzelte Leiden.

Und hinter der Verbreitung der Ressentiments stecken Menschen, die dieses Leiden für ihre eigenen Interessen bewusst ausnutzen. Für ihr Machtstreben. Für ihre Anerkennung. Es sind Politikerinnen und Politiker, die sehr raffiniert eine ganze Palette an Emotionen anstacheln, die aus nicht erfüllten Bedürfnissen resultieren. Es ist sinnvoll, ein Verbotsverfahren gegen jede Partei einzuleiten, die unsere Demokratie ausnutzt, um sie abzuschaffen.

Doch an erster Stelle ist es wichtig, dass alle Menschen die Erfahrung machen können, dass unsere Gesellschaft ihre Bedürfnisse ernst nimmt. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir Räume schaffen, in denen die Menschen ihre Frustrationen und Ängste artikulieren können, ohne dass sie bewertet werden. Dazu gehört auch, neue Formate zu finden, in denen wir Bürgerinnen und Bürger an wichtigen politischen Entscheidungen teilhaben. Dazu gehört, dass jede und jeder die Erfahrung machen kann, dass sie oder er einen Beitrag leistet zu Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen.

Wen diese Fragen auch umtreiben, kann sehr gerne auf uns zukommen. Wir freuen uns, darüber mit Euch ins Gespräch zu kommen.

Peter Dietzel

Das Demokratiebündnis Lahn Dill hat die Veranstaltung am 8. Februar 2025 sowie die anschließende Menschenkette durch Wetzlar organisiert. Viele zivilgesellschaftliche Gruppen brachten sich mit Statements, Informations-Ständen und Plakaten in diesen, von Renée Herrnkind moderierten, Austausch ein: Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Wetzlar, Alevitische Gemeinde, Deutscher Gewerkschaftsbund, Kinder für den Frieden, Flüchtlingshilfe Mittelhessen, Frauzeit Brandoberndorf, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Industriegewerkschaft Metall, Kurden Wetzlar, Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg, Naturfreunde, Omas gegen Rechts Wetzlar, Pax Christi, Stadtbibliothek, ver.di, Volkshochschule Wetzlar, Wetzlarer Arbeitslosen Initiative, Wetzlar erinnert, Wetzlar solidarisch, Wetzlarer Friedenstreff, Würdegruppe Wetzlar.